Raho ist erst 14
Raho kam vor einem Jahr nach Österreich. Sie ist eine von sechs Geschwistern.
Raho ist 14, sie kam vor einem Jahr nach Österreich, die Flucht aus Somalia war anstrengend, gefährlich und lang. Als Älteste von 6 Geschwistern hat ihre Mutter ihr schon lange den Haushalt und die Aufsicht über die kleinen Geschwister übertragen. Raho ist dabei, ihre nächstkleinere Schwester einzulernen, sie selbst soll bald verheiratet werden, wie einst auch ihre Mutter.
Asha, eine unserer NACHBARINNEN hat Raho als starke aber traurige und deutlich älter als 14 Jahre wirkende junge Frau bei ihrem ersten Familienbesuch kennengelernt und als Mittelpunkt ihrer Familienarbeit ausgesucht. Nach dem ersten Gespräch war klar, Raho war gut in der Schule gewesen, musste aber aufhören, um die Familie zu versorgen. Sie wollte so gerne Sport betreiben, wie die Freundinnen in ihrer Klasse, durfte aber nicht, das war nichts für Mädchen und sie hatte auch gar keine Zeit dazu.
Sie hat sich in einen Mitschüler verknallt, wusste aber, dass ein deutlich älterer Cousin für sie ausgesucht war. Davor fürchtete sie sich besonders, sie konnte sehen, wie Mädchen hier in Wien leben dürfen.
Es dauerte nicht lange, da war klar, dass durch eine ausgeklügelte Aufteilung der Aufgaben im Haushalt, die mit Gegenleistungen wie Lernhilfe, Fußballspielen oder Kaffeehausbesuchen abgegolten wurden, Raho wieder in die Schule gehen durfte.
Im Rahmen einer intensiven Beratung von Eltern und Raho konnte sie ihre unbändige Angst vor dem Schmerz nach der Hochzeit als Folge der Beschneidung ablegen. Ihre Mutter hatte ihr davon erzählt. Sie und eine ihrer Schwestern wurden von Asha zur Deinfibulation begleitet.
Den anderen Schwestern wurde die Beschneidung infolge intensiver Beratung von Eltern und Mädchen überhaupt erspart. Auch an der geplanten Hochzeit wurde bereits begonnen zu rütteln.
Nach 7 Monaten Begleitung war Raho’s Familie wie ausgewechselt. Raho‘s Aufgabe zu Hause ist es, Ordnung zu halten und Aufzuräumen, das schafft sie „mit Links“. Der Vater, früher Tapezierer in Somalia, hier nur noch Wächter über die Moral von Frau und Töchtern, erledigt Hilfsarbeiten in unserer Nähwerkstatt, um sich damit seine geliebten Kaffeehausbesuche zu finanzieren, zu Hause muss er mithelfen. Die Wäsche wird von Raho‘s nächstkleinerer, sehr geliebten Schwester gewaschen, die dafür intensive Lernhilfe bekommt. Die zwei kleinen Brüder gehen einkaufen, einer davon darf dafür in einem Fußballverein kostenlos trainieren, sein Lebenstraum wurde wahr, seine Noten in der Schule verbessern sich ganz ohne Lernhilfe rasch. Der Andere darf - selbst erlerntes Break Dancing - in einem guten Team weiter entwickeln und kann nun in der Gruppe voll Stolz auftreten.
Die kleinsten Schwestern erhalten Lernhilfe, sie strahlen die von der Familie begeisterte Lernhelferin zum Dank so an, dass dieser jungen Frau das Herz aufgeht.
Als Gegenleistung für die Lernhilfe besucht die Mutter nun 4x pro Woche einen Deutschkurs und übernimmt einen guten Teil der Hausarbeit von Raho, besonders das Kochen und Bügeln.
Wenn der Vater die Wäsche nicht ordentlich genug aufhängt, braucht die Mutter mehr Zeit zum Bügeln und das Kochen leidet darunter, der Druck der gesamten Familie auf den Vater, die Wäsche glatt zu streifen nimmt deutlich zu.
Danke Asha, Du hast wieder einmal großes Glück verbreitet.