Muna geht nicht aus dem Haus
Muna kommt aus Somalia, sie ist seit 4 Jahren in Österreich und hat 5 Kinder
Muna kommt aus Somalia, sie ist seit 4 Jahren in Österreich. sie hat 5 Kinder, weder sie noch ihr Mann sprechen deutsch. Auch Abdi, ihr ältester Sohn nicht, er ist 23, orientierungslos. Muniba 15, soll bald heiraten. Salwa 13, führt den Haushalt, die Schule ist nicht wichtig. Kadar 10, ist wild und will hinaus, Amina 9, hält sich an Salwa.
Muna, die Mutter, hält Kontakt zu ihrer Heimat, indem sie fast rund um die Uhr zwei Handys, an jedem Ohr eines, unter ihr streng gebundenes Kopftuch gesteckt, mit anderen somalischen Frauen Altes und Neues austauscht.
Muna geht nicht aus dem Haus, von ihren Kindern, die abseits der Schule das Haus nicht verlassen dürfen, ist sie durch die Handys getrennt. Die einsamen Kinder schreien und nerven die isolierte Mutter. der Vater ist still oder schlägt.
Muna hört in der Moschee den Vortrag einer jungen Frau aus Somalia. Deeqa - so heißt diese Frau - sagt, sie ist eine NACHBARIN und arbeitet dafür, dass sich somalische Frauen, Kinder, Familien in Österreich zu hause fühlen können. die NACHBARINNEN verlangen von der ganzen Familie kleine, der Situation angepasste Veränderungen für ihre Hilfe. sie kosten sonst nichts. Muna horcht das erste mal seit langem auf, sie geht nach hause und telefoniert.
Nach tagen ruft sie Deeqa an, „Hilf mir bitte, ich werde verrückt. meine Kinder machen mich verrückt“. Deeqa kommt, sie schaut und hört, sie lacht die Kinder an, sie beobachtet den Ältesten. Deeqa hört die Kleinen streiten, Muna spricht langsam und laut, die Handys stecken unter dem Tuch. Deeqa bittet sie die Handys wegzulegen. Muna sagt, „das ist mein Somalia“.
Deeqa macht einen Vorschlag:
Muna und Abdi, der älteste Sohn müssen sich entscheiden, ob Abdi die Mutter gegen die Schläge des Vaters schützt, oder ob Muna mit den Kleineren ins Frauenhaus soll. Muna will bleiben, Abdi sucht innere Kraft zum Schutz der Mutter. Als erste Gegenleistung für diesen Schritt muss Muna Deeqa die zwei Telefone für eine Woche mit nach hause geben. Sie soll Zeit haben ihre Kinder nach Erlebtem zu fragen, ihnen von sich erzählen, sich mit ihnen verbinden.
Muna’s Herz öffnet sich am ersten Tag, sie spürt die durch Aufmerksamkeit und Interesse erwachte Liebe der Kinder. Nach einer Woche wollte sie mehr. Deeqa hat sie in einen Somali Alphabetisierungskurs eingetragen.
Jetzt geht Muna schon seit Wochen mit ihren kleineren Kindern aus dem Haus, sie ist im Arbeitstraining in unserer Nähwerkstatt und besucht begleitend und verpflichtend dazu einen Deutschkurs. Sie hat die Zusage für eine teilzeitarbeit als Helferin in einem Kindergarten. Ihr Stolz ist Abdi, der Älteste, er hatte sein Leben schon aufgegeben, bevor Deeqa mit ihm einen Plan gemacht hat, Abdi hat sie dafür zu McDonalds ausgeführt. Er wollte schnell weiter, entweder rasch oder gar nicht. So hat er sich für einen intensiv Deutschkurs angemeldet, hat sein Informatikstudium aus Somalia zum Teil angerechnet bekommen und studiert mit ausgezeichneten Englischkenntnissen und mittlerweile gutem Deutsch hier weiter. Geschickt und klug wie er ist, arbeitet er bei einer online Firma und verdient genug Geld, dass die Mindestsicherung wegfällt.
Die Jüngeren bekommen unsere Lernhilfe, als Gegenleistung der Familie wurden zwei Dinge vereinbart: Eine Familienkonferenz hat eine Neuaufteilung der Haushaltsführung ergeben, Salwa, die zweite Tochter ist entlastet und wird in die nächste Klasse aufsteigen können. die Mutter geht mit Deeqa, der NACHBARIN, in die Schule und stellt sich ihrem Verdacht, dass die Lehrerin ihre Töchter aus Ausländerfeindlichkeit schlechter benotet. Auch Deeqa hat ein Kopftuch, die Lehrerin und der Direktor sind zu Munas erstaunen sehr freundlich mit ihr. Deeqa übersetzt Muna den Wunsch der Lehrerin, Muna solle, wenn ihr Deutsch besser wird, nächstes Jahr Elternvertreterin werden. Mütter in ähnlichen Lagen würden viel Vertrauen schöpfen. Muna lächelt ein wenig ungläubig aber neugierig, sie war gewollt.
Und zu hause? Die Kinder ziehen den Vater mit. Auch er macht einen Deutschkurs. Er ist mürrisch, aber man spürt ein Lächeln unter seiner Haut. Er schlägt nicht mehr und begleitet seinen kleinsten Sohn Kadar zum Fußball. Muna gibt ihm Geld mit, das sie von der Nähwerkstatt nach hause bringt.
Deeqa strahlt am Tag des Abschlussgesprächs in die lachenden Gesichter, sie sonnt sich in somalischer Erfolgswärme, das Gefühl von Heimat in Wien tut ihr gut. Es warten noch so viele Andere, sie nimmt die Kraft von Munas Freude aufs Leben mit - und zieht weiter.
In diesem Kurzfilm haben wir diesen Arbeitsbericht verfilmt:
Deeqa Haibe
Sozialassistentin, Gerichtsdolmetscherin