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Luisa braucht eine Perspektive

Luisa lebt seit elf Jahren mit ihrem Mann und ihren Kindern in Österreich.

Als Malka die gemeinsame Arbeit mit Luisa Ende  letzten Jahres begonnen hat, ist die Familie schon seit über einem Jahr der Kinder und Jugendhilfe (MA11) bekannt. Seit elf Jahren lebt Luisa mit ihrem Mann und ihren Kindern in Österreich, trotz dieser langen Zeit spricht sie nicht Deutsch, daher war die Begleitung durch die MA11 auch nicht sehr erfolgreich.

Zu Hause hat Luisa nach der Matura ein Jahr Medizin studiert, dann mussten sie fliehen. Die Situation während des Krieges und auf der Flucht war grauenhaft, sowohl Luisa als auch ihr Mann sind schwerst traumatisiert und können den alltäglichen Aufgaben in Wien nicht nachkommen. Luisa und ihr Mann waren einfach nicht in der Lage, die finanzielle Situation zu stabilisieren. So hat die Familie die Wohnung verloren und lebt seither in einem Obdachlosenquartier. Über die Jahre haben sich außerdem für die beiden unüberblickbare Schulden angehäuft.

Der älteste Sohn – auch er hat als kleiner Bub die Grauen des Krieges und dieser Flucht kennen gelernt, ist derzeit in Haft. Dieser Sohn war für die Mutter in Wien als Übersetzungshilfe ganz wesentlich. Aktuell herrscht in der Familie eine sehr traurige und niedergeschlagene Stimmung, die Frau schämt sich sehr ob des Obdachlosenheimes und der Gefängnisstrafe ihres Sohnes, der Mann zeigt keinerlei Emotionen. Der Elfjährige Dani ist sehr offen und leise-fröhlich, er scheint gut mit den anderen Kindern im Heim auszukommen. Die Eltern negieren, dass Dani sehr schlecht hört, sie waren bis dato noch bei keiner ärztlichen Untersuchung, obwohl das von der Schule oft angeraten wurde. Das und die völlig fehlende Verbindung zu den Eltern war auch der Grund der Kontaktaufnahme der Schule mit der Jugendhilfe.

Auf Malka warteten viele Aufgaben. Als erstes wurde ein genauer Plan mit guten Vereinbarungen gemacht.

Nach elf Jahren in Wien beginnt Luisan nun mit einem Deutschkurs. Sie möchte sehr gern von ihrem derzeitigen Job als Reinigungskraft beruflich aufsteigen, immerhin hat sie vor der Flucht ein Medizinstudium begonnen. Beide Eltern willigen in eine Psychotherapie ein und melden sich dafür bei Hemayat an. Dani über den nun – wie bei den NACHBARINNEN üblich – die gesamte Familie begleitet und gestärkt wird, wird medizinisch untersucht, er bekommt Hörgeräte für beide Ohren und Logotherapie, weil er aufgrund der Schwerhörigkeit viele Wörter nicht richtig aussprechen kann. Durch die Lernhilfe zu Hause von der Lernhilfegruppe der NACHBARINNEN werden seine schulischen Leistungen stetig besser, er wird sicher in die nächsten Schulstufe aufsteigen können. Für seine Lernerfolge hat Dani einen kostenlosen PC vom Verein bekommen, sein Ziel ist es, ins Gymnasium zu wechseln – das wird ihm sicher gelingen.

Nach vielen vertraulichen Gesprächen über Ziele und mögliche Perspektiven ist der psychische Zustand von Luisa sichtbar verbessert. Malka erlebt sie deutlich fröhlicher und gesünder, sie möchte lieber intensiver deutsch lernen und sich fortbilden und nicht die Zeit abseits dieses zeitlich beanspruchenden Programmes noch mit Therapie verbringen. Sie möchte sie lieber ihrem Sohn widmen. Auch dem Vater geht es besser, er hat verstanden, dass nach seinen Erlebnissen eine Therapie dringend ist und wartet weiter auf einen Platz. Die Drogen konnte er lassen, er geht regelmäßig in eine gute Selbsthilfegruppe.

Malka hat Luisa mehrmals zu unseren Bildungsfrühstücken gebracht, dort hat sie unter anderem Vorträge über Frauenrechte und den Zugang zum Arbeitsmarkt gehört. In einem neuen Land ist einfach alles anders und die Orientierung hier gelingt nur, wenn man sich selbstbewusst darauf einlässt und altes mit neuem mischt.

Außerdem hat Luisa an zwei Elterntischen teilgenommen, bei denen es um Geld und Familie sowie um Sprache ging. Elterntische werden von den NACHBARINNEN in der jeweiligen Muttersprache moderiert, mit ausgeklügeltem Bildmaterial werden Themen so bearbeitet, dass ein Verstehen und Umdenken der Frauen, die daran teilnehmen möglich wird. So kann man sich in einer Gruppe Gleichgesinnter und einem Role Model als Moderatorin auf das Leben in der hiesigen Gesellschaft einlassen und verliert zunehmend die Angst davor.

Jetzt, nach fünf Monaten Begleitung, ist Luisa bereits deutlich besser in Deutsch, die finanzielle Situation hat sich stabilisiert, die Familie hat ein strukturiertes Leben. Wichtige Termine, die früher nie eingehalten wurden, werden nun wahrgenommen. Luisa ist in einer stabilen und sicheren Situation, hat Hoffnung und Ziele und arbeitet an ihrer beruflichen Perspektive. Die Familie ist in eine kleine eigene Wohnung gezogen, die Miete wird regelmäßig bezahlt und auch für die Schulden wurde eine leistbare Ratenzahlung vereinbart.

Malka vereinbart beim Abschlussgespräch mit der Sozialarbeiterin der MA11 und mit Luisa, dass für die wenigen Situationen, für die Luisa noch Unterstützung braucht, ihre Schwiegertochter diese weitere Hilfe übernimmt. Sollte es zu größeren Problemen kommen, ist der Kontakt zu Malka weiter da.

Malka! Das war wieder einmal eine großartige Arbeit!

Bericht vom
30. 04. 24

Malka Musaeva

NACHBARIN seit 2016 Sozialassistentin, Doktoratsstudium Chemie in Russland, zertifizierte Elterntrainerin, interkulturelle Gesundheitstrainerin bei AFYA
Mein NACHBARINNEN-Rucksack ist voll mit hilfreichen Informationen für die Familien

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