"Dienerin" der Schwiegereltern
Gül war 14, wie sie in ihrem Dorf in Yozgat mit Murad verheiratet wurde. Sie hat 3 Kinder.
Gül war 14, wie sie in ihrem Dorf in Yozgat mit Murad verheiratet wurde. Murad ist extra aus Wien gekommen. Auch seine Eltern kamen zur Hochzeit, die ein Jahr vorher in der Küche von Güls Haus ausgemacht wurde.
Nach der Hochzeit ist Gül nach Wien gezogen. Gewohnt wurde gemeinsam mit den Schwiegereltern, Gül hatte alle Hände voll zu tun, um allen Wünschen gerecht zu werden. Fünf Jahre lang wurde Gül nicht schwanger, Murads Mutter wurde immer ungeduldiger, die täglichen Vorwürfe gipfelten in der Präsentation einer neuen jungen Frau für Murad. Jetzt erlebte Gül sehr schöne Seiten an ihrem Mann. Er begann für sie zu kämpfen, lehnte sich gegen seine Eltern auf, zeigte Gül, dass er sie und nur sie will.
Heute ist ihre erste Tochter 7 Jahre alt. Die beiden haben jetzt drei Kinder, die Schwiegereltern sind immer noch in derselben Wohnung, es ist eng und laut und voll schlechter Laune. Gül macht sich auch Sorgen um ihre älteste Tochter. Wenn sie aus der Schule nach Hause kommt, schläft sie oder spielt am Handy oder, wenn Gül es ihr wegnimmt, starrt sie vor sich hin. Sie war der Liebling der Großeltern, bis Ali auf die Welt kam, seither haben sie nur noch Augen für ihn.
Murad ist ein netter Mann und er hat ja für sie gekämpft, nur: Sie haben finanzielle Dauersorgen, erst vor kurzem ist sie draufgekommen, dass Murad ihr Geld verspielt. Seit er weiß, dass sie weiß, schimpft er viel, lässt sie spüren, dass er der Mann im Haus ist.
Gül hat genug. Im Park trifft sie regelmäßig Freundinnen, nur eine der Frauen, Fatme, spricht ein wenig Deutsch, sie lacht viel, sie kommt immer seltener, hat ständig irgendwelche Kurse oder besseres zu tun. Denkt sie, sie ist „etwas Besseres“ oder ist sie wirklich besser? Gül wird nachdenklich und versucht ihren Neid in Neugierde zu drehen. Sie Fragt Fatme um Rat. Da bekommt sie die Telefonnummer von Ayse. Das ist eine NACHBARIN sagt Fatme. Sie kommt auch aus der Türkei, war auch „Dienerin“ der Schwiegereltern, hat auch einen Mann verpasst bekommen, den sie nicht kannte und ist jetzt eine selbstständige starke Frau, verdient ihr eigenes Geld und ihr Beruf ist es, anderen in ähnlichen Situationen auf eigene Beine zu helfen. Gül ruft diese Ayse an und so nimmt alles seinen Lauf.
Nach zwei Wochen schon geht Gül 4-mal in der Woche in die Nähwerkstatt der NACHBARINNEN und absolviert dort ein Arbeitstraining. Während der Arbeitszeit findet ein Deutsch Konversationskurs statt, zuletzt haben sie dabei das Thema Frauenrechte durchgenommen – was da alles geht! Gül und Murad mussten zum Arbeitstraining einwilligen, damit ihre Tochter Lernhilfe und auch eine psychologische Betreuung bekommt. Langsam wird sie zugänglicher, heute früh hat sie das erste Mal seit langem gelächelt, Gül hat fast zu weinen begonnen. Unglaubliche Dinge weiß diese NACHBARIN, sie beginnt mit Murad und Gül die Finanzen zu sortieren und verlangt für mögliche Unterstützungen, dass Murad in eine Suchttherapie geht. Eines weiß Gül ganz gewiss. Wenn Sie jetzt alles Geld, das sie bekommen auch für Vernünftiges verwenden können, suchen sie als erstes eine eigene Wohnung.
Am Ende vom Schuljahr kommt ihre Tochter lachend mit einem guten Zeugnis nach Hause und freut sich auf ein Ferienlager mit ihrer neuen Freundin Sarah, auch Sarah war noch nie allein von zu Hause weg, sie werden es schaffen und einen großen Schritt dabei machen.