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Amina will skateboarden

Amina ist 11 Jahre alt. Sie ist vor einem Jahr aus dem Sudan nach Wien gekommen.

Amina ist vor einem Jahr mit ihren Eltern und neun Geschwistern aus dem Sudan nach Wien gekommen. Sie ist elf Jahre alt und träumt vom Skateboard fahren. Ihr Deutsch ist recht gut aber in der Klasse ist sie Einzelgängerin, sie spricht wenig, eckt mit allen an, ist sozial auffällig und schulisch extrem schwach. Nächstes Jahr soll sie nach dem Sonderschullehrplan unterrichtet werden, das steht in ihrem Mitteilungsheft. Ihre Eltern sind Analphabeten wie ihre großen Brüder, die nicht in die Schule gehen, nie gingen.

Als ältestes Mädchen hat sie viele Aufgaben im Haushalt. Die Aufsicht ihrer kleinen Geschwister ist wichtiger als lernen, vor allem aber als skaten. Dazu kommt, dass skaten kein Sport für Mädchen ist. Es ist gefährlich, sie mischt sich mit anderen, mit Burschen, das ist verboten, wird kontrolliert und überwacht von den Adleraugen der Brüder und der Eltern.

Als Somia, eine unserer NACHBARINNEN die Familie besucht, fällt ihr Amina als sehr in sich zurückgezogen und still auf, dem elterlichen Willen und dem der großen Brüder mürrisch gebeugt. Somia sucht Amina als Mittelpunkt ihrer Arbeit mit der Familie aus und verhandelt folgenden Plan als Arbeitsgrundlage:

Amina darf ab nun alleine innerhalb der Wohnanlage skaten, egal mit wem. Sie muss ihr Handy aufgedreht in der Hosentasche haben, die Eltern dürfen nur anrufen, wenn es um etwas extrem wichtiges geht. Wenn die Eltern ohne wichtigen Grund anrufen, darf Amina eine ihr zugedachte Aufgabe im Haushalt für eine Woche abgeben. Außerdem, das war ihr großer Wunsch, müssen die Eltern sich bei ihr entschuldigen. Wenn Amina sich unerlaubt aus der Anlage entfernt oder auf einen dringenden Anruf nicht reagiert, muss sie drei Tage  lang am Nachmittag die kleinen Geschwister am Spielplatz beaufsichtigen und die ihr ungeliebteste Aufgabe erledigen - die Wäsche machen.

Wenn die Eltern sich an diese Vereinbarung halten, bekommt Amina von uns Lernhilfe zu Hause. Bis zum Schulschluss ist das Ziel, die Noten in allen Fächern um jeweils einen Grad zu verbessern. So steht es in ihrem Lernhilfevertrag, der von allen vier Parteien, den Eltern, Amina, der Lernhelferin und der NACHBARIN unterschrieben ist. Auch der Weg zu diesem Ziel steht im Vertrag: Amina liest alle 3 Wochen ein deutschsprachiges Buch und erzählt ihrer Mutter davon, die ab nun einen Deutschkurs besucht. Zweimal pro Woche liest Amina ihren kleinen Geschwistern ein Pixiebuch vor und erklärt ihnen die Geschichte, sie müssen diese Geschichte der Lernhelferin nacherzählen können. Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren kleinen Geschwistern besucht Amina das Kulturprogramm der NACHBARINNEN und lernt dadurch Wien und andere Kinder kennen.

4 Wochen später wird Somia lächelnd von den Eltern begrüßt. Sie erzählen ihr, dass keine der beiden Seiten das Abkommen gebrochen hat.  Amina ist fröhlich und lernt viel. Mit den großen Brüdern ist etwas Ähnliches mit Fußball in den Sportkäfigen am Gürtel entstanden.

Nun, nach vier Monaten kann man von einem wirklichen Erfolg sprechen, Amina wird die Klasse schaffen, sie hat deutlich bessere Noten, nicht nur durch die Lernhilfe, auch durch ihre Fröhlichkeit und die längst fällige Aufnahme in die Klassengemeinschaft. Sie wird weiter nach dem Regelschullehrplan unterrichtet werden.

Außerdem ist Somia noch ein wirkliches Wunder gelungen. Durch gute und intensive Beratung der Eltern und in einer eigenen Mädchen Beratung für Amina ist gelungen, dass Amina aus echter Überzeugung nicht beschnitten werden wird. Die Beratung hat Amina und ihre kleinen Schwestern vor FGM bewahrt. Dadurch wurde auch die Gemeinschaft derer größer gemacht, die in ihrer Umgebung als Aufklärer wirksam werden gegen diese barbarische Tradition.

Beim Abschlussgespräch sitzt Somia am gemeinsamen Tisch, die Familie ist offensichtlich stolz auf das Erreichte und Somia geht erfüllt mit der ihr entgegengebrachten Dankbarkeit nach Hause. Voll Energie zieht sie weiter, es warten noch Viele Aufgaben auf sie.

Bericht vom
05. 10. 22

Somia Babiker

NACHBARIN seit 2014
Sozialassistentin, Studium Business Administration im Sudan, zertifizierte Elterntrainerin, interkulturelle Gesundheitstrainerin bei AFYA
"Welche Zukunft wollt ihr denn für eure Kinder?' Das ist meine Lieblingsfrage an Familien"

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