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Ali ist ein Außenseiter

Ali kommt aus dem Irak, ist 15 Jahre alt und lebt seit 3 Jahren mit seinen Eltern und 3 Geschwistern in Wien.

Ali ist ein Außenseiter. Er ist 15 und seit 3 Jahren in Österreich. Seine Familie ist aus dem Irak geflohen, er hat noch 3 Geschwister. Sein Papa ist stark, er spricht gut Deutsch, hat immer alles in der Schule geregelt und die Mama gern geschlagen und dabei gelacht.

Ali mag seinen Papa, oder fürchtet er sich mehr? Gestern war die Polizei hier, der Papa darf für ein Jahr nicht mehr nach Hause, MA11 heißt das Amt, das sich jetzt kümmern soll. Ob die auch in die Schule gehen, wenn es im Mitteilungsheft steht? Mama versteht nichts. Sie ist entweder sehr laut oder ganz still.

Die MA11 hat eine arabische Frau zu uns geschickt, Mashaer heißt sie. Sie beobachtet uns und fragt viele Fragen. Sie hört, dass Mama nur einen Deutschkurs gemacht hat, dass sie noch nie ein Konto hatte, dass Ali schon zum dritten Mal durchfallen wird, dass Sabiha keinen Kindergartenplatz hat, dass Murad in den Irak möchte und viele andere Dinge mehr. Sie fragt immer weiter und hört endlich, dass die Mama Fußballtrainerin im Irak war, zuletzt hat sie sogar die Nationalmannschaft trainiert. Mashaer lächelt breit und ab da nimmt alles seinen Lauf.

Mashaer macht mit jedem von uns einen Plan. Und dann besprechen wir alle, wie sich diese Pläne gemeinsam verwirklichen lassen. Die Mama hat Mashaer so richtig gut erwischt. Sie bekommt die meisten Aufgaben, ob sie das alles schafft? Aber Mashaer kommt jede Woche und begleitet uns da alle durch diesen wahnsinnigen Aufgabenwald.

Ich bekomme zum Beispiel Nikola als Lernhelfer. Dafür muss ich zweimal in der Woche einkaufen gehen und auf Flohmärkten nach einem Fußball und Schuhen für mich, meine Mama und meine zwei Brüder suchen. Murad will keine Lernhilfe, er will weiter in den Irak. Sabiha bekommt einen Kindergartenplatz, dafür muss Mama einen Deutschkurs und dazu noch eine Deutsch Konversationsrunde machen. Kaba braucht keine Lernhilfe, er braucht eine Therapie für seinen Sprachfehler. Mashaer organisiert das schnell, dafür sucht der filmbesessene Kaba zwei deutsche Filme in der Woche aus, die wir alle gemeinsam anschauen. Ich liebe diese Abende, Mama macht dann immer urgutes Essen.

Wen ich besonders mag ist Nikola. Nikola ist 22, er studiert Malerei und kommt einmal in der Woche zu mir lernen. Bis jetzt war mir die Schule komplett egal. Meine Klassenkameraden sind um 2 Jahre jünger als ich, was soll ich mit denen? Nächstes Jahr sind sie drei Jahre jünger hat mir die Lehrerin gesagt. Nikola hat alles in mir umgedreht.

Er hat die Mama dazu gebracht mit zwei Freunden von Murad, dem Murad, dem Kaba und mir eine kleine Mannschaft zu bilden. Robert, aus Murads Klasse, ist der einzige Österreicher dabei. Wir gehen jeden Nachmittag mit der Mama in den Donaupark und laufen dort und spielen Fußball. Das kann die Mama so richtig gut. Wie sie lachen kann! Nikola kommt die ersten Male mit, sonst lernt er Mathe und Deutsch mit mir. Meine letzten Schularbeiten waren auch für mich eine Überraschung, nicht nur für die Lehrerin, plötzlich redet sie vom Aufsteigen? Naja, schauen wir einmal. Diese Woche haben wir Nikola zum Filmabend eingeladen, das ist schon deshalb super, weil es da sicher noch etwas Besseres zu Essen geben wird.

Ja, so waren die ersten Wochen dieser Begleitung durch Mashaer. Nach einem Jahr hat sich Frau A. vom Deutsch Niveau A1 auf B2 verbessert. Die Familie macht einmal die Woche einen Filmabend mit deutschen Filmen, sie trainieren weiter, die Mannschaft hat sich vergrößert, schon das Bild von Frau A, die mit ihrem Kopftuch über die Wiese rennt und junge Burschen trainiert, war geliebt im Donaupark. Murad bleibt in Wien, Ali ist in die nächste Klasse aufgestiegen und ist ein Vorbild für seine jüngeren Klassenkameraden geworden. Frau A hat sich scheiden lassen und arbeitet als Küchenhilfe in einem Kindergarten. Beim Abschied von Mashaer weint Mama seit langem wieder das erste Mal. Aber sie lächelt dabei und zeigt Mashaer ihr Glück.

Bericht vom
09. 08. 22

Mashaer Ali Hamad

NACHBARIN seit 2020
Sozialassistentin, Wirtschaftsstudium
"Manche Frauen und Kinder haben so viel Schreckliches erlebt, das braucht Zeit zum Verarbeiten"

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